Nikolaus Lenau, was nun?

Als Schulkind in den Nachkriegsjahren in Deutschland lernte ich noch viele Gedichte und Lieder. Ich sang begeistert in der Schule aber auch zu Hause zusammen mit meinen drei Schwestern. Wir konnten dreistimmig singen, was ja so manchem Einzelkind nicht  möglich war.

Unter diesen von mir geliebten Liedern (meist wegen der Melodie, oft auch wegen des Textes, manchmal stimmten auch Qualität von Text und Melodie überein), war und ist auch das Lied „Drei Zigeuner fand ich einmal …“ von Nikolaus Lenau. Die Melodie stimmte meiner Meinung nach hier ganz besonders mit den Versen überein. Es ist ein melancholischer Text, der von einer einfachen, getragenen Melodie (Karl August Zedtler) sehr schön begleitet wird. Überaus melodisch, fand ich damals und finde ich heute.

Der Text folgt dem Ablauf einer Kutschfahrt durch die „sandige Heide“. Am Wegesrand sieht der Reisende drei „Zigeuner“, wie es im Gedicht heißt. So nannte man damals Angehörige des „fahrenden Volkes“. Diese Drei genießen am Stamme eines schattigen Baumes angelehnt eine Ruhepause auf verschiedene Weise. Einer spielt auf seiner Fiedel, der andere raucht eine Pfeife, der dritte Rastende betrachtet nur die Wolken und sinnt vor sich hin. Dieser Anblick veranlasst den mit der Kutsche dahin zuckelnden Reisenden, darüber nachzudenken, welche Lebensweise wohl die bessere ist. Das Dahineilen von A nach B mit einemFahrzeug oder das gemächliche Wandern mit Weggefährten  und Fiedel, nicht zu vergessen das rechtzeitige und vielleicht auch häufige Rasten im Schatten der Bäume.  

Nikolaus Lenau war ein spätromantischer Dichter in der Zeit der k.u.k.-Monarchie, geboren 1802 in Csatád, Königreich Ungarn (K.u.K.-Monarchie), gestorben 1850 in Oberdöbling in Österreich. Sein eigentlicher Name war Franz Niembsch Edler von Strehlenau. Er wird (Quelle: Wikipedia) als der größte Lyriker Österreichs und auch als typischer „Vertreter des Weltschmerzes“ bezeichnet.

Von ihm stammt u.a. auch das Lied: „Der Postillion“ (Lieblich war die Maiennacht, Silberwölklein flogen, ob der holden Frühlingspracht, freudig hingezogen …).

Hier geht es aber nicht um sein reiches Werk, sondern um das eine Gedicht, das nun vielleicht nicht mehr gesunden werden sollte? Die Bezeichnung „Zigeuner“ für Fahrendes Volk wurde ja nun seit längerer Zeit durch die Bezeichnung „Sinti und Roma“ ersetzt, da das früher verwendete Wort evtl. abwertend gemeint sein könnte? Möglich wäre es, dass es von manchen Menschen abwertend verwendet wurde. Die meisten Menschen haben es einfach so in der Schule  und in der Familie gelernt und sich keine Gedanken darüber gemacht. Was natürlich auch nicht gerade lobenswert ist, denn man sollte schon darüber nachdenken, was man sagt oder nachplappert. 

Ich mache mir jedenfalls zur Zeit Gedanken darüber, wie das Problem in Bezug auf das ansonsten ansprechende Gedicht von Nikolaus Lenau gelöst werden kann? Sinti und Roma reimt sich nicht und ist sicher auch im Melodie-Fluss nicht gut unterzubringen. Aber was nun, Nikolaus Lenau? 

Kann man ein lyrisches Werk so ohne weiteres umschreiben? Wenn ja, wer darf das? Das frage ich mich und habe bisher keine Antwort.

E.Z., © 2023

Foto: R. Struck

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